Geschätzter Kollege Borchert,
jeder, der ein bisserl auf meinem eigenen Blog unterwegs war und dort das Stichwort "Papa Franz" in die Suchfunktion eingegeben hat, weiß, daß ich diesem Herrn mit allergrößter Distanz gegenüberstehe. Ich bin also kein Apologet des Pontifikats dieses "Papa Franz" - absit longe!
Aber: ich mag es nicht, wenn jemand ohne hinreichendes Hintergrundwissen über Dinge dahinschwadroniert, die vielleicht für den Laien plausibel klingen, aber schlicht und einfach falsch sind! Und Hier ist Wisnewski mit seinen kononistischen Kenntnissen einfach ziemlich unbeleckt unterwegs.
Wenn er den Rücktritt Benedikts deshalb für ungültig hält, weil er nicht freiwillig gewesen ist - ja das kann ich argumentativ durchaus nachvollziehen. Das ist eine Tatsachenfrage, die man mit entsprechenden Beweismitteln klären kann (oder eben auch nicht, falls die Beweise zu un-eindeutig sind ...).
Aber die Rechtsfrage: "Kann ein Papst, der das Amt angenommen hat, von diesem zurücktreten" wird von ihm völlig verfehlt argumentiert.
Gerade, wenn er die §§ 1 und 2 des Canon 332 explizit heraushebt, ist für jeden Juristen klar:
§ 1 handelt von der Wahl zum Papst, ihrer unmittelbaren Voraussetzung und ihrer Wirksamkeit.
Vom (mittlerweile höchst theoretischen) Fall einer Wahl eines Mannes, der noch kein Bischof ist, abgesehen - da inzwischen alle wahlberechtigten Kardinäle Bischöfe sein müssen und die Wahl eine Nicht-Kardinals einfach nicht vorkommen wird - wird das Papstamt durch die Annahme der Wahl durch den Gewählten erlangt. Punkt! Der Satz
Plenam et supremam in Ecclesia potestatem Romanus Pontifex obtinet legitima electione ab ipso acceptata istganz einfach und völlig eindeutig. Die volle und höchste Amtsgewalt erhält der Papst durch die
legitime (1)
Wahl (2), die
von ihm angenommen wird (3).
Damit ist klar:
wenn die Wahl nicht legitim (1) ist (etwas durch einen "Kardinalsputsch" zur Absetzung des Papstes herbeigeführt, oder durch äußere Gewalteinwirkung, oder durch falsche Auszählung der Stimmen), wird der "Gewählte" nicht Papst.
Weiters muß eine Wahl (2) erfolgen. Eine "Designierung" des Nachfolgers (wie es bspw. für das Stammapostelamt der Neuapostolischen Kirche üblich ist) durch den vorherigen Papst gibt es nicht.
Schließlich muß der Gewählte die Wahl annehmen (3), und zwar er selbst, nicht ein Mittelsmann, Vertreter etc.
Ohne diese drei Kriterien liegt eben keine gültige Papstwahl vor. Der "Gewählte" ist eben kein Papst - basta!
Damit wäre aber der § 2 völlig inhaltsleer bzw. bloße Dublette, wenn er bloß den Fall regeln wollte, daß der Gewählte die Wahl nicht annimmt - denn das ergibt sich bereits aus § 1.
§ 2 regelt eben den Fall, daß ein Papst zurücktritt:
Si contingat ut Romanus Pontifex muneri suo renuntiet ... setzt notwendigerweise voraus, daß es
(1) einen existierenden Pontifex Romanus gibt (denn der wird explizit genannt!)
(2) daß dieser seine Amtsgewalt ("munus")
(3) aufgibt ("renuntiat" - hier im Konjunktiv "renuntiet"
Das paßt nicht auf einen Gewählten, der die Wahl nicht annimmt! Denn der ist nicht Papst, da § 1 ganz klar sagt, denn das Kriterium der electione ab ipso acceptata, die die Voraussetzung dafür ist, daß jemand Pontifex Romanus ist - und genau das wird von diesem "absagenden Gewählten" überhaupt nicht erfüllt. Ebenso wie der Bräutigam, die in der Kirche vor dem "Ja" Spundus bekommt und "Nein" sagt, kein Ehemann ist, ebenso ist ein Kardinal, der zwar gewählt wurde, aber "nein" sagt, kein Papst.
Daß er aber ein solcher bereits ist (oder besser: sein muß!), ist die logische Voraussetzung für eine Anwendung des § 2, denn ohne Papst zu sein, habe ich keine Amtsgewalt ("munus"), und kann schon gar nicht auf etwas verzichten, was ich nicht habe.
Wisnewskis Auslegung ist daher völlig verfehlt. Angesichts der von ihm zusammengetragenen Indizien für die mangelnde Freiwilligkeit des Rücktritts von Benedikt XVI verstehe ich auch nicht, warum er sich auf ein Terrain begibt, auf dem er absolut kein Fachmann ist!
Außerdem ist sein Argument schon historisch gesehen falsch. Es gab unzweifelhaft schon einen Papstrücktritt (Cölestin V) und weitere Rücktritte im Zusammenhang mit dem Konzil von Konstanz zur Behebung des Abendländischen Schismas - wo man ja zumindest aus Gründen der Logik einen der widerstreitenden "Päpste" als legitimen Papst annehmen müßte - denn die Variante, daß Benedikt XIII a.k.a. "Papa Luna" (der das Konzil von Konstanz nicht anerkannte) der legitime Papst gewesen wäre, die anderen jedoch nicht und damit der vom Konzil gewählte Papst (und seine Nachfolger) ebenso nur ein "Scheinpapst", ist doch ein wenig bizarr! Allerdings hat sein ephemerer Nachfolger Clemens VIII, der als "Gegenpapst" (oder eben doch der "echte"?) schließlich zurücktrat, nach seinem Rücktritt "seine" Kardinäle ermahnt, "Oddo di Colonna, den sie zu Rom Martin nennen" zum neuen Papst zu wählen, was aus streng kanonistischer Sicht eine höchst weise Vorkehrung war: denn wenn Papa Luna der echte Papst war und damit Clemens VIII sein richtiger Nachfolger, dann waren alle anderen eben Gegenpäpste (bzw. Anhänger von solchen) und dieses Problem konnte nur durch die (aus Roms Sicht zwar überflüssige) Wahl durch die Kardinäle Clemens' VIII rechtlich korrekt saniert werden. Besagter Clemens VIII wurde überigens dann zum Bischof von Mallorca ernannt.
Alle Katholiken, die sich Sorgen um eine Sedisvakanz machen, sollten deshalb nach Palma di Mallorca pilgern, um in der Kathedrale am Grab des Gil Sánchez Muñoz y Carbón (alias Clemens VIII) zu beten - hilft's net, so schad's net ...
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LePenseur