Nein, gilt m.E. nicht für die DDR
Die Generation 70+ ist praktisch die Gruppe meiner Eltern. Sie sind im Nachkriegsdeutschland groß geworden und haben praktisch keine großen Krisen miterlebt (gilt für BRD und DDR). Für sie ist beständige Mehrung des Wohlstands Normalität, Zukunftsoptimismus war Programm (Raumfahrt und Mondlandung als eines der prägenden Ereignisse). Dies führte zur völligen Hingabe an Materialismus und Hedonismus.
Die DDR war gelebte Krise, von "Mehrung des Wohlstandes" war nichts zu spüren, ebensowenig wie von Zukunftsoptimismus (der war staatlich verordnet aber nicht in der Bevölkerung verankert) und Hedonismus auszuleben, war praktisch unmöglich. Ich bin in den 80igern groß geworden und habe die Stimmung noch sehr intensiv mitbekommen. Jede Verbesserung ging mit Verfall an anderen Stellen einher (Plattenbau führte zum Verfall der historischen Altstädte usw.) und war teuer erkauft.
Das siehst du auch daran, dass die Ossis jetzt AfD wählen. Für jemanden, der selbst gerade dem Elend entkommen ist, ist nicht nur der blödsinnige Schuldkult unerträglich, sondern auch die omnipräsente Weltrettungsattütide, der Wahnsinn, jedem, der es hierher schafft, arbeitsfrei eine Existenz zu finanzieren und das alles überdeckt von fetter, verlogener Propaganda, zunehmender Zensur und Willkürjustiz und Politikern die so dämlich sind, dass man sich für sie fremdschämt. Es ist fast wieder wie in der Zone.
Der größte Vorwurf, den ich meiner Elterngeneration mache ist das Durchschneiden des Bandes der Generationen und das Trennen vom Wissen und den Erfahrungen unserer Ahnen. Sie sind dermaßen wohlstandsbesoffen, dass sie jahrhundertealtes Wissen über Bord geworfen haben und die nachfolgenden Generationen völlig nackt in die neue, ungewisse Zeit geworfen haben.
Dabei verkennst du aber auch die Möglichkeiten heutzutage. Praktisch alles ist nur einen Klick entfernt, man muss es nur nutzen wollen. Ich koche z.B. gern und habe die Fähigkeiten meiner Mutter (die mir das mal beibrachte) längst hinter mir gelassen. Kann ich das meinen Kindern vermitteln? Nur ansatzweise, das auszubauen, liegt an ihnen.
Bis in die 60er Jahre hinein wurden bei uns die Häuser erst dann gebaut, wenn der Wünschelrutengänger das Grundstück nach Erdstrahlen abgesucht hat und die Stelle für den hauseigenen Brunnen markiert hat. Dieses jahrhundertealte Wissen ist innerhalb eines Jahrzehnts über den Jordan gegangen.
Bei Krankheiten ist man neben dem Arzt auch zum Geistheiler (Besprechen) gegangen. Alles weg.
Das passte nicht in den wissenschaftlichen Zeitgeist, es kommt aber, in anderer Form (Heilpraktiker usw.) wieder. Es ist sogar so, dass sich gänzlich neue Techniken durchsetzen, die es früher gar nicht gab (z.B. "remote viewing"). In der Hinsicht bin ich nicht pessimistisch, im Gegenteil, wir steuern auf eine Versöhnung "paranormaler" (gebt mir ein besseres Wort!) Erkenntnisse mit der Wissenschaft zu!
Ab den 70er Jahren wurden fast alle Gärten aufgegeben, die viele Jahrhunderte die Familien mit Obst und Gemüse versorgt haben. Stört eben alles, wenn man im Sommer in Urlaub fahren will. Wer hat heute noch Ahnung vom Gartenbau?
Nicht mehr unbedingt mit dem Fokus der Selbstversorgung, aber "Garten" ist sehr in Mode und die Möglichkeiten sind so groß wie nie! Ich bekomme Sorten und Informationen, an die ich früher nie rangekommen wäre! Man könnte das sicher in der Schule usw. besser vermitteln, aber es muss halt auch angenommen werden. Mein Sohn interessiert sich z.B. gar nicht dafür, mit meiner Tochter habe ich hingegen ein Beet angelegt und versuche ihr das ein- oder andere Erfolgserlebnis zu verschaffen.
Eigene Tiere werden seit den 80er gar nicht mehr gehalten. Hausschlachtung wurde eingestellt. Wer kann heute noch Fische, Enten, Hühner ausnehmen oder ein Schwein schlachten und Wurst machen?
Nur wenige, überhaupt haben nur wenige Menschen in diesem überbesiedelten, überreglementierten Land, ausreichend eigenen Grund dafür... und wenn man den hat, braucht man Zeit (die mir z.B. fehlt, ich hätte gern Hühner, aber einen Stall zu bauen, ist einfach zu unwichtig und zeitintensiv).
Aber auch hier gilt: alle Informationen, vom Schlachten bis zum Hühner ausnehmen, sind in wortreichen youtube-Videos erklärt. Man kann dort nachschauen, wie man eine Sense dengelt oder einen Stall baut, ganz praktisch, mit aktuellem Werkzeug usw.
Man muss es nur halt wollen. DAS ist das größte Problem! Die moderne Welt ist eine Welt der süchtig machenden Ablenkungen.
Kinder wurden bis in die 80er von der Dorfgemeinschaft und anderen, älteren Kindern erzogen und auch beaufsichtigt. Das machte den Eltern vieles leichter, weil die Kinder einfach so nebenbei groß wurden, ohne ständig sich ums Kind zu kümmern. Heute wird gleich mit Anwalt gedroht, wenn man sich dem eigenen Kind nähert.
Bei uns ist es eher so, dass nicht genug Kinder in der Gegend wohnen. In der Stadt kann man sie hingegen wegen des Verkehrs nicht rauslassen, wegen Drogensüchtigen und anderen illustren Gestalten.
Man kann nicht alle über einen Kamm scheren, aber der große Zivilisationsbruch wurde von den Ü70 eingeleitet und den nachfolgenden Generationen munter fortgesetzt.
Das ist eine Folge zunehmender Industriealisierung, sie wälzt immer alles um (das ist in China z.B. nicht anders als es hier war). Wir haben in Deutschland aber kaum eine Alternative dazu, das Land ist zu dicht besiedelt, zu urban, um auf Bauernhof und "ernten per Hand" zu bestehen, das Wohlstandsniveau wäre drastisch niedriger (einer der Gründe, weshalb die Alten sich besonders leicht damit taten, das alte Leben aufzugeben, das jüngere Generationen jetzt romantisieren)!