Zum Canard der Selbstverteidigung

Miesepeter, Freitag, 03.11.2023, 10:54 (vor 345 Tagen) @ Vatapitta2094 Views

In letzter Konsequenz bedeutet das, dass die Hamas für die Opfer im Gazastreifen selber die Verantwortung trägt, weil sie es genau so geplant hat.
Dieser Satz ist harte Arbeit gegen die eigenen Emotionen.

Ja, denn der entscheidende Krieg findet statt zwischen den Kräften der Mitte, welche Konflikte durch Verstehen und Aushandeln zu lösen versuchen, und den Extremen, die Konflikte mittels grenzenloser Gewalt ausfechten wollen.

Das obige Zitat kennzeichnet genau die Argumentation Israels, die Zivilbevölkerung ist darin Kollateralschaden der Selbstverteidigung.

Zur Selbstverteidigung: diese ist ja grandios gescheitert, bei funktionierender Selbstverteidigung hätten die Gemetzel der Hamas (oder welcher Organisationen auch immer) gar nicht so stattfinden können. Inzwischen ist der Angriff zurückgeschlagen, es findet also keine Selbstverteidigung mehr statt, sondern vielmehr Angriffe Israels.

Die Terroristen verstecken sich hinter der Zivilbevölkerung und sind daher für deren Tod verantwortlich: verantwortlich für Kriegsverbrechen sind immer diejenigen, welche sie begehen. Beide Seiten begehen Kriegsverbrechen, beide Seiten behaupten, dies sei in Reaktion auf erlittenes Leid und somit gerechtfertigt. Es gibt aber keine Rechtfertigung für Kriegsverbrechen.

Wenn mein Kind von jemandem ermordet wird, und ich ziehe daraufhin in einen Rachefeldzug, um den Täter zu töten, sehe den Täter, wie er in einem Kindergarten seine Tochter abholt, und mähe den gesamten Kindergarten nieder und töte dabei wahllos den Täter, Kinder und Kindergärtnerinnen, wird kein Gericht der Welt meiner Argumentation folgen, dass dies die Verantwortung des ursprünglichen Mörders sei und ich nur in Selbstverteidigung gehandelt habe. Auch mildernde Umstände wird man mir nicht zubilligen.

Die allgemein aktzeptierte zivilisierte Antwort ist, den/die Täter zu isolieren und dann ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Der Mossad hat zb. den Ruf, solche Dinge sehr professionell zu betreiben.

Die Verfechter der gewalttätigen Lösung bevorzugen hingegen das unterscheidungslose Meucheln der Gegenseite. Dass aus dieser Gewalt weitere Gewalt entstehen wird, ist Teil des Kalküls, denn in der "letzten Konsequenz", also unter maximalem Waffeneinsatz, sind sie von ihrem finalen Sieg überzeugt. Und einen Sieger klagt niemand an.

Die sich immer wieder wiederholende Tragödie dabei ist, dass sich die gesellschaftliche Mitte, welche Konflikte eigentlich nicht mittels Gewalt lösen möchte, zuverlässig durch provozierte oder LIHOP Angriffe auf sie selbst, in das Lager der Extremisten manövrieren lässt. Göring hat das gegenüber Gustave Gilbert eindrucksvoll formuliert. Solange dies so bleibt, und die Kriegsverbrecher auf beiden Seiten ungehindert ihre Eskalationsleitern hinaufklettern können, darf sich die Menschenschar nicht wundern, wenn sie sich am Ende wieder einmal auf dem Schlachtfeld wiederfindet.

Gruss,
mp


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